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Weltmacht im Container (taz, 13.11.2000)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen

Weltmacht im Container

Der Bayernkurier kostet die CSU zuviel Geld. Jetzt gibt es eine neue Struktur samt Layout – aber inhaltlich bleibt Bayern Weltspitze.

taz, 13.11.2000

Bayern ist Supermacht geblieben. Denn der Bayernkurier darf Staatszeitung seines herbeigeschriebenen Weltimperiums bleiben. In seiner Funktion als „Deutsche Wochenzeitung“ hat das Blatt gerade mal 12000 Abonnenten, in der als CSU-Organ immerhin 4,5 Millionen Mark jährliche Zuschüsse. Hatte. Die will die CSU nun deutlich verringern, bei Vertrieb, Anzeigen und dergleichen kooperiert sie mit der FAZ-Tochter „Leadermedia“ – aber: „Der Bayernkurier wird sein Gesicht verändern, aber seinen Charakter und sein Profil bewahren.“ So schrieb es Edmund Stoiber in den Aufmacher der ersten relaunchten Ausgabe und so geschah es.

Die neue Bayern-Prawda ist wesentlich luftiger: Großzügiger Abstand zwischen den Zeilen, Freiraum um die Überschriften, dezente Linien zur Leseführung. Dazu eine neue Struktur mit Kolumne für Kommentatoren außerhalb der CSU, einer Themenseite und einem Wirtschaftsteil. Und mehr Farbe. Zwischen Himmelblau und Wiesengrün wie die Almen hierzulande.

Auf den Inhalt hat das nicht abgefärbt. Chefredakteur Wilfried Scharnagl schreibt zwar ins Editorial, sein Blatt solle „wörtlich wie im übertragenen Sinne“ farbiger werden. Extreme Farbausschläge finden sich derweil allein im Leserbriefteil, wo einem Aufrechten der Bayernkurier nicht deutsch genug ist, und in den „Fundstücken“, wo ohne Gegenposition an prominenter Stelle ein Großmufti zitiert wird, der Israel als „Geschwür, das ausgerissen gehört“ bezeichnet. Irgendwie überraschen solcher Ausschläge dann doch nicht richtig.

Das Leitmotiv gibt ansonsten ein Foto des bayerischen Landtags auf der ersten Seite vor. Das Maximilianeum gewinnt laut Bayernkurier „im Zuge mancher hauptstädtischen Übertreibungen in Berlin für das politische Geschehen in Deutschland zusätzlich Bedeutung“.

In Deutschland? Warum nicht gar in der Welt? In alter Tradition findet auf der neuen Themenseite ein Text Platz, der den Münchener Vorort Martinsried als internationales Epizentrum der Biotechnologie ausmacht. Der Aufmacher im Wirtschaftsteil widmet sich den indisch-bayerischen Beziehungen. Von gleich zu gleich gewissermaßen. Den Vogel schießt ein Text über Stoibers Besuch in den USA und bei der UNO ab: „Wenn Bayern sich in verschiedenen Bereichen moderner Entwicklungen – wirtschaftlich, wissenschaftlich oder strukturell – in der Spitze der Welt findet, so ist es selbstverständlich, dass der Regierungschef des Freistaates die Kontakte pflegt, die einer solchen Position angemessen sind.“

Bayern muss Weltmacht bleiben. Kurz davor, in die UNO einzutreten und den vakanten Platz im internationalen Machtgleichgewicht anstelle der Sowjetunion einzunehmen. Es kann keinen anderen Bayernkurier geben. Es darf auch nicht. Das hat auch die CSU erkannt. Die Sanierung ihrer Parteizentrale wird sie wohl nicht bezahlen können und denkt nun an einen Verkauf. Wo sollen die Christsozialen dann hin? Lieber eine Weltmacht in Containern als gar keine.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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