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Wenn Iren lieben (Bücher Magazin, 2/2005)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen

Wenn Iren lieben

Vor zwei Jahren war Cecelia Ahern eine Uniabsolventin ohne Job. Nach zwei Bestsellern ist sie heute Millionärin und Irlands beliebteste Schriftstellerin.

 

Bücher Magazin, 2/2005

 

Sie ist 23 Jahre alt. Sie verdient mehr Geld als ihr Vater. An manchen Tagen bringen die Zeitungen über sie größere Artikel als über ihn. Dabei regiert Bertie Ahern als Ministerpräsident die Republik Irland. Doch seine jüngste Tochter Cecelia ist derzeit die erfolgreichste Autorin der Insel. Vor zwei Jahren veröffentlichte sie ihr Romandebüt „P.S. Ich liebe Dich“. Das Buch schoss sofort auf den ersten Platz der irischen Bestsellerliste – und blieb dort 19 Wochen lang. Aherns Erstling war auch Nr. 1 in Großbritannien und ein Bestseller in Deutschland, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten. Schätzungsweite 1,7 Millionen Euro hat Cecelia Ahern allein an Vorschüssen verdient. Jetzt erscheint in Deutschland ihr zweiter Roman, „Für immer vielleicht“. Die Originalausgabe kauften im November mehr Iren als jedes andere Buch und auch Wochen später steht „Für immer vielleicht“ auf der Bestsellerliste. Wie macht Cecelia Ahern das?

Ein Grund für ihren Erfolg: Cecelia Ahern ist ein sehr irischer Star. Einerseits lebt sie seit Jahren so glamourös, wie es in Irland gerade geht: Popstars zählen zu ihren besten Freunden (Ronan und Yvonne Keating), sie feiert gern mit ihrer Schwester Georgina und deren Mann, dem Sänger Nicky Byrne von der Band Westlife. Im Jahr 2000 hätte Cecelia Ahern mit ihrer Band Shimma sogar Irland fast beim Eurovision Song Contest vertreten. Und die Frage, ob sie bald ihren Freund, den Leichtathleten David Keoghan heiratet, beschäftigt die Inselrepublik seit Monaten. So kennt man Stars. Doch fragt man Cecelia Ahern, ob sie einer ist, zeigt sie ihre andere Seite, die die Iren so lieben: „Nein, ich glaube nicht. Ich habe ein Buch geschrieben.“ Die Bescheidenheit nimmt man dieser zierlichen blonden Person ab, die das mit ihrem leichten Dubliner Einschlag ganz ernst sagt.

Ahern kokettiert nicht, sie lebt im Vergleich mit anderen Prominenten ein wirklich normales Leben. Von ihren immensen Vorschüssen hat Cecelia Ahern sich als erstes ein Laptop gegönnt, um den zweiten Roman schneller schreiben zu können. Der zweite Luxus: eine Woche Urlaub auf Marbella mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Georgina und Nicky Byrne. So müssen irische Stars sein: bei aller Prominenz bodenständig und familienbewusst. Im Moment wohnt Cecelia Ahern in einer kleinen Wohnung im Norden Dublins, „fünf Minuten von Mum und Dad“ entfernt.
Immer wieder spricht Cecelia Ahern von ihren getrennt lebenden Eltern. Vor allem die Beziehung zu ihrer Mutter ist sehr eng: „Wir stehen uns sehr nah. Ich habe ihr beim Schreiben jedes fertige Kapitel meines Buches gezeigt“, sagt Ahern. Doch ihre Mutter war als Lektorin nicht sehr hilfreich – sie fand alles gut: „Sie hat immer an den richtigen Stellen gelacht oder geweint.“ Miriam Ahern hat ihre Tochter auch auf einigen Lesetouren begleitet, in Kanada zum Beispiel. Cecelia Ahern braucht die Unterstützung, denn sie steht keineswegs so selbstverständlich und gern im Licht der Öffentlichkeit, wie man es von der Tochter des Berufspolitikers Ahern erwartet. Vorm Auftritt in Irlands größter Talkshow „The Late, Late Show” brach sie vor Lampenfieber in Tränen aus, ihr Freund erklärte später: „Sie wäre das glücklichste Mädchen in Irland, wenn sie keine Öffentlichkeitsarbeit für das Buch machen müsste.“

Dass sie so jung und manchmal so schüchtern ist, macht Cecelia Ahern sympathisch und zur glaubwürdigen Vertreterin eines jungen Irlands. Das ist der zweite Grund für ihren internationalen Erfolg: Junge irische Autorinnen sind derzeit weltweit fast eine eigene Marke. „Chick Lit“ heißt das Schlagwort für den Trend in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Autorinnen wie Marian Keyes und Sinead Moriarty schreiben populäre Geschichten über die Liebe und ein modernes Irland auf der Wellenlänge der Fans von „Sex and the City“ und „Friends“. Kaum zu glauben, dass diese Geschichten voller Gefühl und Humor aus einem Land kommen und in einem Land spielen, wo noch in den achtziger Jahren Bücher wegen der Erwähnung von außerehelichem Sex zensiert wurden.

Cecelia Ahern hat in ihrem Erstling das Genre der „Chick Lit“ um ein großes Thema bereichert: Tod. Die 30 Jahre alte Heldin von „P.S. Ich liebe Dich“ verliert ihren geliebten Mann. Das Buch erzählt, wie sie mit dem Verlust zu leben lernt. Ihr Mann hilft ihr dabei: Weil sein Tod wegen eines Gehirntumors abzusehen war, hat er einen Stapel Briefe vorgeschrieben. Jeden Monat muss sie neue Aufgaben meistern: eine eigene Nachttischlampe kaufen, seine Kleidung wegschaffen, mit ihren Freundinnen verreisen. Und jeder Brief endet mit demselben Postscriptum: „Ich liebe dich.“

Auch Aherns neues Buch erzählt eine Liebesgeschichte, eine etwas „fröhlichere“, wie Ahern sagt. Rosie und Alex kennen sich seit ihrer Kindheit, waren damals schon Freunde. Sie haben als Kinder zusammen gespielt, haben sich als Teenager zum ersten Mal zusammen betrunken – doch ein Paar sind sie nie geworden. Nun sind sie 30, noch immer in engem Kontakt (sogar über einen Ozean hinweg!) und fragen sich, ob aus ihrer Freundschaft mehr hätte werden können. Die Geschichte dieses Paars erzählt Cecelia Ahern in hunderten von E-Mails, Faxen, Postkarten, Chat-Ausdrucken, gekritzelten Zetteln und Postkarten. Dieser ständige, aber immer begründete Wechsel von Perspektive und Textform macht Aherns Buch – ganz abgesehen von der Geschichte – spannend. Die Autorin hat den Briefroman neu erfunden. Im 18. Jahrhundert, Hochzeit der Briefkultur, wurden sehr viele Romane als Briefwechsel geschrieben (heute noch sehr berühmt: „Die Leiden des jungen Werthers“). Einen der letzten extrem populären Briefroman schrieb 1897 der Ire Bran Stoker mit “Dracula”. Und jetzt erfindet ihn eine Irin neu.

Eine Irin, die ihre Geschichten aufrichtig, begeistert erzählt. Böswillige Kritiker nennen Cecelia Ahern deshalb naiv oder klischeeverliebt. Doch Tatsache ist: Die Geschichten sind erfolgreich, weil sie ohne ironische Distanz den Millionen Lesern nahe gehen. Distanzlos heißt aber nicht, dass Ahern zynisch ein Standardprogramm für bewegende Erzählungen abspult. Sie erzählt so offenherzig von der Liebe, wie man es wohl nur mit 23 kann. Und das merken ihre Leser. Lynne Drew, Ahern Verlegerin in Großbritannien: „Sie berührt die Menschen. Sie hat einen sehr einfachen, natürlichen Schreibstil. Das ist ihre Gabe.“

Cecelia Ahern benutzt diese Gabe ehrlich. Sie arbeitet hart (schreibt zwischen 23 und 7 Uhr), doch ihre Geschichten konstruiert sie nicht am Reißbrett. Sie schreibt ihre einfachen, gefühligen Geschichten nicht, weil Hunderttausenden solche Erzählungen nahe gehen, sondern weil ihren Texte sie selbst so am meisten bewegen. „Als ich beim Schreiben der emotionalen Teile angefangen habe zu weinen, wusste ich, dass es etwas Besonderes ist“, sagt sie über „P.S. Ich liebe dich“.

Das glaubt man ihr sofort, diesem irischen Star. Und man grübelt, was sie wohl beim Schreiben ihrer neuen Geschichte von der bittersüßen, lange unerfüllten Jugendliebe zwischen Rosie und Alex gefühlt hat. Denn Cecelia Ahern kennt ihren Freund David Keoghan ja auch, seitdem sie 15 war. Jahre lang waren sie nur Freunde … Doch diese Geschichte hat ein Happy End: Im Sommer ziehen die beiden in eine gemeinsame Villa in Dublin. Ganz in der Nähe wohnt Cecelias Schwester mit ihrem Mann. Die Familie ist vereint und Cecelia Ahern schreibt ihren dritten Roman.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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