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Werbepost für Kinderküche: Spendenwerbung per Call-Center und Massen-Mail (Spiegel Online, 22.10.08)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
7 minuten gelesen

Werbepost für Kinderküchen

Spendenwerbung per Call-Center und Massen-Mail

Abzocke – oder dilettantische Spendenwerbung mit guten Absichten? Ein Berliner Verein will für arme Kinder kochen, wirbt mit Massen-Mails und lässt Call Center Spender akquirieren. Doch bei einigen wurde gegen ihren Willen Geld abgebucht.

Spiegel Online, 22.10.2008

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"Spätestens ab der Mitte des Monats bleibt der Kühlschrank leer und
Kinder haben Hunger!" So steht es in Werbe-E-Mails, die im Oktober
mehrere SPIEGEL-ONLINE-Mitarbeiter erreichten. Darin wirbt der Berliner
Verein "Essen für Kinder in Not" (Efkin e.V.) um Spenden: "5 €, denn
damit können wir 1 Kind 1 Woche lang mit einem warmen Essen am Tag
versorgen".

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Die Empfänger hatten mit dem Verein nie Kontakt, die E-Mails waren
auch nicht persönlich geschrieben – da macht ein Absatz umso
misstrauischer, in dem steht: "Spam eMails: Das Bitten um Spenden ist
keine gewerbliche Tätigkeit, unterliegt daher auch nicht den
Bestimmungen des UWG und ist nicht abmahnfähig."

Um Abmahnungen scheint sich der Verein in der Tat Sorgen machen zu
müssen. Die unerwünschten Werbe-Mails von "Essen für Kinder in Not"
verärgern viele Empfänger, die in Netzforen
erregt
debattieren, wie man gegen Efkin vorgehen kann und ob das überhaupt ein seriöser Verein sei.

Efkin wirbt auf seiner Seite mit den Namen von Spendern – zum
Beispiel Marc Korthaus, Geschäftsführer von macnews.de. Dieser
bestätigt auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, gespendet zu haben: "Ich habe
aufgrund eines Telefonates einer Spende zugesagt. Irgendwie sind wir
wohl auf einen Verteiler der Firmen geraten, die hin und wieder was
spenden."

"Finanzamt prüft Gemeinnützigkeit nach 18 Monaten"

Wie viele E-Mails verschickt wurden und woher die Adressen stammen –
das beantwortet Frank Kunz, Vorsitzender des Berliner Vereins
Kooperative R.H., auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE nicht. Er bestätigt
aber: "Essen für Kinder in Not war zunächst ein Projekt der bereits
bestehenden gemeinnützigen Vereine IWULIB e.V. und Kooperative R.H.
e.V.." Kunz betont, dass "Essen für Kinder in Not" (Efkin e.V.)
inzwischen als eigener Verein "ebenfalls die Gemeinnützigkeit erhalten
hat".

Das stimmt. Das Finanzamt hat die Vereine als gemeinnützig
anerkannt. Was das bedeutet, erklärt Tanja Ibrahim, wissenschaftliche
Mitarbeiterin beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI):
"Gemeinnützigkeit ist nicht unbedingt ein Kriterium für die Seriosität
einer Organisation. Denn bei neu gegründeten Vereinen erteilen die
Finanzämter ohne Überprüfung eine vorläufige Bescheinigung der
Gemeinnützigkeit, die dann mindestens 18 Monate gültig ist."

Das DZI prüft die soziale Arbeit des Efkin im Rahmen seiner
Spendensiegel derzeit nicht. Zur Seriosität des Vereins könnte man
daher nichts sagen, sagt Ibrahim. Man werde den Verein aber "um
Zusendung von Unterlagen bitten", da es "mehrere Anfragen" gegeben habe.

Lastschriftbetrug in Bayern

Grund für die vermehrten Anfragen könnten ein bekannt gewordener
Fall von angeblichem Lastschriftbetrug sein. Anfang Oktober berichtete
die "
Emsdettener Volkszeitung",
dass vom Konto einer Rentnerin 60 Euro als Spende für den Verein "Essen
für Kinder in Not" abgebucht worden seien, obwohl sie nie derlei
unterschrieben hatte.

Damals sagte der Kooperative-R.H.-Vorsitzende Fank Kunz der
"Emsdettener Volkszeitung", man sei von einer Fundraising-Agentur mit
Sitz in Cala Ratjada auf Mallorca betrogen worden. Von den
Spendensammlern habe der "Verein Datensätze zum Lastschriftverfahren
eingekauft und bei der Bank eingelöst".

Ein Sprecher der Berliner Polizei bestätigte SPIEGEL ONLINE, dass
man in der Sache ein Ermittlungsverfahren wegen Lastschriftbetrug aus
Bayern übernommen habe, wollte aber keine weitere Angaben machen, da es
sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele. Ob in der Sache die
Staatsanwaltschaft überhaupt Anklage erheben wird, ist unklar.

"Opfer unseriöser Machenschaften"

Zu SPIEGEL ONLINE sagt Frank Kunz, man habe "eine Agentur mit Sitz
in Spanien" beauftragt, "die sich auf das Einwerben von Spenden
spezialisiert hat". Diese Agentur habe "ihrerseits Callcenter, unter
anderem auch in der Türkei, für sich tätig werden lassen". Aufgrund
eines seitens der Agentur eingestandenen Fehlers in ihrer Software
konnten Mitarbeiter eines der beauftragten Callcenter die
"üblicherweise erfolgten Kontrollanrufe bei Förderern umgehen, wodurch
die nicht genehmigten Abbuchungsermächtigungen zu spät erkannt wurden."

Man habe die Bank unverzüglich unterrichtet, aber es wurde schon
gebucht, "so dass die Bank die Lastschriften nicht mehr stoppen
konnte." Kunz: "Nach Ablauf der Rückgabefrist für Lastschriften zählen
wir 173 Fälle, in denen die Abbuchungen zurückgereicht wurden."

Weder Efkin e.V. noch die Kooperative R.H. hätten Adressdaten zur
Ansprache von potentiellen Förderern bereitgestellt oder verkauft. Man
sei "Opfer unseriöser Machenschaften" und habe den "Vertrag mit der
Agentur zwischenzeitlich gekündigt".

Ein Briefkasten, zehn Namen

Recherchiert man jedoch im Web, ergibt sich eine Verbindung von
Efkin nach Spanien. So ist der Inhaber der Domain efkin.org laut
Informationen der Whois-Datenbank, die solche Informationen
bereitstellt, Herr Uwe W. (Name von der Redaktion anonymisiert), aus
Cala Ratjada. Die dort angegebene Mailadresse von W. gehört zu einer
spanischen Domain, unter der für einen Jeep-Verleih auf Mallorca
geworben wird. Laut dem Eintrag im Berliner Vereinsregister war Uwe W.
bis März dieses Jahres zweiter Vorsitzender des Vereins Kooperative
R.H.. Auf die schriftlich gestellte Frage, in welcher Beziehung Uwe W.
zu Efkin. e.V. steht, antwortet Frank Kunz nicht.

Schaut man sich vor Ort bei Efkin e.V. und Kooperative R.H. um, die
eine identische Anschrift teilen, sieht man die Namen vieler Vereine
und Firmen. Vor einem Haus mit Arztpraxen und Privatwohnungen sind 16
Briefkästen belegt, an den Schildern sind die Namen aller Bewohner oder
Mieter verzeichnet.

An einen Briefkasten lassen mehrere Organisationen ihre Post
schicken, unter anderem "Essen für Kinder in Not e.V.", "Kooperative
R.H.", "Iwulib e.V.", "EFKIN" und Frank Kunz. Auf einem anderen
Briefkasten steht der Name "Morgengut GmbH". (Wie diese Vereine und
Firmen verbunden sind, sehen Sie im Kasten unten.)

DIE FIRMEN UND VEREINE UM EFKIN E.V.

Essen für Kinder in Not e.V.
Vorsitzender (laut Vereinregister): Oliver B. Anschrift (laut Website): Hiddenseestr.XX, Berlin.
Domaininhaber efkin.de laut Whois: Daniel W., Hiddenseestr. XX, Berlin
Domaininhaber efkin.org laut Whois: : Uwe W., Antoni Maura XY, Cala Rajada, Illes Balears, Spanien, Kontakt XXXX@red-october.es

Kooperative R.H. e.V.
Vorsitzender (laut Vereinregister): Frank Kunz, Olaf R.
zweiter Vorsitzender (laut Vereinregister bis 12.3.2008): Uwe W..
Kassenwart/Schriftührer (laut Vereinregister bis 12.3.2008): Rainer A.
Anschrift (laut Diakonie): Hiddenseestr. XX, Berlin
Domaininhaber kooperative-rh.de laut Whois: Daniel W., XY Ahrensfelde

Iwulib e. V.
Vorsitzender(laut Vereinregister): Frank Kunz, Olaf R.
Anschrift (laut Diakonie): Schöneweider Str. XX, Berlin
Domaininhaber iwulib.de laut Whois: Daniel W., Hiddenseestr. XX, Berlin

Morgengut GmbH
Geschäftsführer(laut Handelsregister): Rainer A.
Anschrift(laut Handelsregister): Borkumstr. XX, Berlin 

Wie diese Organisationen zusammenhängen, erklärt Frank Kunz SPIEGEL
ONLINE so: "ISI Soziale Dienste betreibt unter ihrem Markenzeichen
Sozial & Gut in Berlin Pankow und Neukölln Beratungsstellen für
sozial schwache Bürger." Im "Rahmen der Kinderküchen" mache Essen für
Kinder in Not e.V. auch den betroffenen Eltern ein Hilfsangebot zur
Klärung etwaiger Ansprüche auf Sozialleistungen und zur
Schuldenproblematik. Kooperationspartner seien hier "IWULIB e.V. und
Kooperative R.H. e.V.", so dass weiterhin "eine Zusammenarbeit auf
fachlicher Ebene stattfindet".

Eine Websuche nach dem Verein Iwulib führt zu einem Online-Jobangebot auf
Gigajob.com,
auf dem ein "Callcenteragent in Heimarbeit" in Spanien gesucht wird.
Jobbeschreibung: "Wir, ein dt. gemeinnütziger Betreuerverein aus
Berlin, Mitglied der Diakonie (evangelische Kirche) mit Geschäftsstelle
in Mallorca, suchen Sie, wenn Sie für uns Spenden einwerben wollen.
Keine Kaltakquise, voller Einblick in Ihre Umsätze, auf Wunsch tägliche
Provisionsauszahlung." Als Kontaktadresse wird eine Mailadresse unter
iwulib.de angegeben.

Die ebenfalls auf einem Briefkasten an der Anschrift der Vereine Iwulib e.V. und Efkin e.V. vertretene Firma Morgengut, wirbt auf der Job-Plattform Jobanova zum Beispiel so um neue Call-Center-Mitarbeiter: "Wir sind für gemeinnützige anerkannte Organisationen in Deutschland tätig und sprechen Förderer auf die Unterstützung für soziale Projekte an." Derzeit helfe man "durch Spenden bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland".

Laut Handelsregister hat die Morgengut GmbH ihren Firmensitz
eigentlich ein paar hundert Meter von den Vereinen Efkin und Iwulib
entfernt. Am Klingelschild des Hauses steht der Firmenname nicht – nur
der des Geschäftsführers. Ein Einschreiben mit Fragen von SPIEGEL
ONLINE an diese Adresse der Morgengut GmbH wurde nicht in der gesetzten
Frist beantwortet.

Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
(DWBO) verzeichnete am Montag auf seinen Webseiten die Vereine Iwulib
und Kooperative R.H. als Träger. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE teilt
DWBO-Justiziarin Christina Schröter mit, beide Vereine seien erst 2007
als Mitglieder bei der Diakonie aufgenommen worden. Sie hätten nie als
Träger gearbeitet.

Diakonie schickt Iwulib Unterlassungserklärung

Schröter: "Gegen Koooperative R.H. e.V. läuft derzeit ein
Ausschlussverfahren. Iwulib e.V. hat den Austritt aus der Diakonie
erklärt, unabhängig hiervon wird jedoch das Ausschlussverfahren seitens
des DWBO e.V. weiter betrieben." Im November werden die Mitglieder der
Diakonie über den Ausschluss entscheiden.

Die Diakonie hat sich von Iwulib in einer Unterlassungserklärung
versichern lassen, nicht mehr in der von der "Morgengut GmbH bekannt
gewordenen Art und Weise (Inaussichtstellen eines Jobs bei
ausreichenden Einwerbungen von Spenden für das Projekt Essen für Kinder
in Not) Spenden anwerben zu lassen".

Das gemeinnützige Projekt Kinderküchen verfolgt der Verein aber
weiter. Frank Kunz, Vereinsvorsitzender der Kooperative R.H., berichtet
SPIEGEL ONLINE am Montag: "Wir haben uns heute ein Objekt angeschaut,
werden bald den Mietvertrag unterzeichnen, parallel laufen die
Genehmigungen beim Gesundheitsamt – wenn das alles durch ist, geht es
sofort los. Ich schätze, dass wir in einigen Wochen mit der Kinderküche
starten können."

Mitarbeit: Katharina Peters

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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