Winzige Klappkamera schießt klare Fotos
Touchscreen, W-Lan, schlankes Gehäuse: Die außergewöhnlich gestaltete Canon Powershot N macht Smartphones Konkurrenz. Radikale Neuerung: Einen Auslöseknopf gibt es nicht. Wie die winzige Kompaktkamera fotografiert, zeigt der Test.
Spiegel Online, 16.5.2013
Bei der neuen Kompaktkamera Powershot N macht Canon vieles anders als bei bisherigen Fotoapparaten: Das Gehäuse ist fast quadratisch, nicht breit und rechteckig. Einen Auslöseknopf gibt es gar nicht mehr, dafür einen Touchscreen und eine Auslösewippe, die kreisförmig um das Objektiv herum liegt.
Mit diesen Neuerungen will Canon das Kompaktkamerasegment beleben. Gerade die günstigen kleinen Fotoapparate leiden unter der Smartphone-Konkurrenz. Vielleicht kann ein völlig neues Konzept Käufer locken.
Klein, leicht und klappbar – wie gut die Powershot N in der Fotopraxis abschneidet, verrät der Test.
Das gefällt: Form, Bildqualität, Display
Kompaktes Gehäuse: Durch die nahezu quadratische Grundform (8 x 6 Zentimeter) wirkt das Gehäuse der Powershot N deutlich handlicher, als es tatsächlich ist. Diese Kamera steckt man sich ohne Bedenken in die Innentasche des Sakkos oder in die Hosentasche. Die Powershot N ist mit knapp drei Zentimetern zwar dicker als ein Smartphone, aber gerade noch taschentauglich.
Bedienung: Die Handhabung ist gewöhnungsbedürftig, aber sie hat durchaus Vorzüge. Den Auslöseknopf ersetzt ein Metallring um das Objektiv, der sich nach oben und unten schieben lässt. Dieser Ring lässt sich mit einem oder mit beiden Zeigefingern schieben, egal wie herum man die Kamera gerade hält. Der Vorteil dieser Konstruktion: Man kann die Kamera weit über den Kopf oder ganz nah an den Boden halten und hat dabei auf dem Klappbildschirm das Motiv immer noch gut im Blick. Hält man die Kamera über den Kopf, dreht man sie dazu einfach um, den Auslöser muss man nicht suchen. Ein weiterer Vorteil der Schiebering-Konstruktion: Wer so auslöst, hält die Kamera konstruktionsbedingt automatisch mit beiden Händen – Verwackelungen durch Einhandfotografieren sind so ausgeschlossen.
Klappbildschirm: Das um 90 Grad nach oben (oder unten, je nach Position der Kamera) neigbare Display ist berührungsempfindlich. Man steuert per Fingertippen durch die Menüs, wischt Fotos beim Betrachten hin und her und tippt auf einer Bildschirmtastatur – das Display registriert Eingaben schnell und präzise. Die Kamera lässt sich auch per Bildschirmberührung auslösen. Der Klappbildschirm ist auch gut als Stativ nutzbar: Man kann die Powershot N zum Beispiel auf eine Fläche stellen und filmen oder fotografieren lassen.
Geschwindigkeit: Die Powershot N löst schnell aus – im Weitwinkel vergehen laut den Messungen von Digitalkamera.de samt Autofokus 0,26 Sekunden vom Auslösen bis zur Aufnahme. Da sind einige deutlich teurere Kompaktkameras langsamer.
Bildqualität: Für eine derart kleine Kamera hat die Powershot N eine überraschend hohe Bildqualität. Der Sensor hat das kleinste bei Kompaktkameras verbreitete Format (0,28 Quadratzentimeter Oberfläche) – aber das ist immer noch doppelt so viel wie bei den meisten Smartphones. Bei niedriger ISO-Empfindlichkeit (ISO 80, ISO 100) fallen die Aufnahmen erstaunlich detailreich und klar aus. Bei erhöhter Lichtempfindlichkeit nimmt das Rauschen zu und die Rauschunterdrückung glättet auch Details weg. Dieser Effekt ist schon bei ISO 400 zu sehen, aber nicht übermäßig störend.
Diesen Seheindruck bestätigen die Labortests von Digitalkamera.de. Der Signal-Rauschabstand der Powershot N liegt bei ISO 100 im guten Bereich von über 40 dB – für die Tester im Digitalkamera.de-Labor “eher eine Seltenheit bei so kleinen Bildsensoren”.
Smartphone-Anbindung: Die Powershot N hat ein W-Lan-Modul eingebaut, darüber lässt sich die Kamera leicht mit einem Smartphone verbinden, auf dem eine kostenlose Canon-App (Android und iOS) installiert ist. Diese Software überträgt Fotos von der Kamera, die man dann auf dem Smartphone weiter bearbeiten, benutzen und zu allen Onlinediensten übertragen kann. Das ist eine gute Verknüpfung von Smartphone und App – wenn man unterwegs eine gute Aufnahme wirklich schnell veröffentlichen will, ist das recht leicht möglich, wenn auch nicht so schnell wie mit dem Smartphone selbst.
Nicht so gut: Software, Objektiv, Blitz
Software: Die Powershot N ist eine Kamera, kein Smartphone. Deshalb ist es erstaunlich, dass selbst grundlegende Einstellmöglichkeiten für Blendenöffnung und Belichtungszeit fehlen. Videos lassen sich nicht aufs Smartphone laden – solche Software-Beschränkungen nerven unnötig.
Handhabung: Einige Details der Hardware stören. Der Einschalter der Kamera zum Beispiel ist schlecht zu ertasten. Wegen des nahezu quadratischen Gehäuses dreht man auf der Suche nach dem Einschalter schon mal die Kamera hin und her, bis man den richtigen Knopf gefunden hat. Das wäre leicht zu verbessern: Zum Wechsel zwischen Aufnahmenreihen und Einzelbildmodus ist am Gehäuse ein horizontaler Schiebeschalter eingebaut. Dasselbe Modell in der Vertikalen wäre als Einschalter perfekt.
Ausstattung: Der Blitz sollte heller sein, die Blendenöffnung des Objektivs größer (f/3 ist Durchschnitt) – zu einer wirklich revolutionären Kompaktkamera fehlt der Powershot N noch etwas.
Vorteile, Nachteile, Fazit
+ für die Sensorgröße gute Bildqualität
+ durchdachte, innovative Bedienung
+ klappbarer Bildschirm
+ schneller Autofokus
+ W-Lan-Modul
+ gute Smartphone-Anbindung per App
– Bedienung braucht einige Stunden Eingewöhnung
– verrauschte Bilder bei Nachtaufnahmen
– schwacher Blitz
– keine Halbautomatik, keine manuellen Einstellungen
– keine RAW-Daten
Fazit: Die Powershot N hat Smartphones einiges voraus. Ein Objektiv mit achtfachem optischen Zoom hat keine Handykamera – Samsungs ausladende Galaxy Camera einmal ausgenommen. Eine vergleichbare Bildqualität bieten bei Smartphones nur wenige Exoten-Modelle wie das Nokia 808 Pureview. Die Powershot N ist eine interessante Alternative für alle Fotografen, die mehr wollen, als ein Smartphone bietet, aber vor Edel-Kompaktkameras und manuellen Einstellungen zurückschrecken. Der Neupreis dürfte nach wenigen Monaten sinken.
Kamera | Canon Powershot N | Nikon S800C | Samsung Galaxy Camera | iPhone 4s |
günstigster Preis * | 298,69 | 164,95 | 299 | 503,99 |
Maße (Gehäuse) | 7,9 x 6 x 2,9 | 11,1 x 6 x 2,7 | 12,9 x 7,1 x 1,9 | 11,5 x 5,86 x 0,93 |
Volumen (Gehäuse-maße), cm³ | 137,46 | 179,82 | 188,727 | 62,6727 |
Gewicht | 195 | 184 | 305 | 137 |
Objektiv | f/3 – f/5,9 | f/3,2 – f/ 5,8 | f/2,8- f/5,9 | f/2,4 |
Objektiv (Brennweite kb.-äquivalent, mm) | 28-224 | 25-250 | 23 – 483 | – |
Mindest-abstand (cm) | – | 10 | – | |
Auflösung (Megapixel) | 12,1 | 16 | 16 | 8 |
Sensorgröße (cm²) | 0,28 | 0,28 | 0,28 | 0,155 |
Megapixel pro cm² | 43,21 | 57,14 | 58,2 | 51,61 |
Display (Diagonale Zoll / cm) | 2,8 / 7,112 | 3,5 / 8,89 | 4,8 / 12,19 | 3,5 / 8,89 |
Display Auflösung (Pixel / Subpixel) | 153.333 / 460.000 | 273.000 / 819.000 | 921.600 / 2.764.800 | 614.400 / 1.843.200 |
Dateiformat | JPG | JPG | JPG | JPG |
Besonderheiten | Touchscreen, Klappbildschirm, Micro-SD, optischer Bildstabilisator, W-Lan-Verbindung zu Smartphone-App | Touchscreen, Android 2.3.3, GPS, W-Lan | Android 4.1, GPS, Glosnass, 8 Gb interner Speicher, microSD-Card, SIM-Slot, W-Lan | Touchscreen, iOS, 3G |
* günstigster Preis im deutschen Online-Handel (laut geizhals.at, Stand 14.5.2013 |