Zwischendurch-Spiele: Ninjas würfeln nicht (Spiegel Online, 25.11.2010)
Zwischendurch-Spiele
Ninjas würfeln nicht
Sie kosten wenig oder gar nichts, bereiten aber viel Vergnügen: Mini-Spiele wie “Edge” oder “Steambirds” überraschen mit neuen Ideen und ausgefeilter Mechanik. Vier Empfehlungen fürs kreative Spielen zwischendurch.
Spiegel Online, 25.11.2010
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Designer Shane Neville hat einige große, teure Spiele mitentwickelt und nebenbei eine kleine Firma namens “Ninja Robot Dinosaur Entertainment” gegründet, um – so beschreibt er es – “Spiele, Comics und Souvenirs für Menschen zu entwickeln, die Ninjas, Roboter und Dinosaurier mögen.” Wie gut das zusammengeht, zeigt Nevilles neues Browserspiel.
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Der Held Ray Ardent ist ein “Science Ninja”, was sich darin äußert, dass der gute Mann sehr schnell laufen, sehr weit springen und in einer Art Hobelstellung auf jeder Oberfläche gleiten kann wie ein Curlingstein auf gut poliertem Eis. Und wenn Ray Ardent sich freut, dann ruft er laut Dinge wie “Sciencetastic!” oder ” Another win for science!”.
Der rutschende Ninja
Das alles ist sehr schräg und amüsant, das Spiel selbst hingegen sehr klassisch: Der Spieler muss Ray durch Hindernis-Parcours steuern und dabei unter anderem sehr kleinen, aber gefährlichen Dinosauriern ausweichen – ein klassisches Jump’n’Run.
Im Spielverlauf trainiert sich der Science Ninja neue Bewegungen an, kann sich dann zum Beispiel in der Luft noch einmal abstoßen und noch höher springen. Das Spiel ist auch für Gelegenheitsspieler sehr unterhaltsam, weil es nicht mit extrem schwierigen Situationen nervt, die sich nur beim zehnten oder zwanzigsten Versuch mit etwas Glück und viel Geschick bewältigen lassen. Stattdessen kommt man in “Ray Ardent: Science Ninja” schnell voran, kann die liebevoll gezeichnete und vertonte Spielwelt und den Geschwindigkeitsrausch genießen.
“Sciencetastic”, würde wohl Ray Ardent sagen.
Shane Neville: “Ray Ardent – Science Ninja”, Browserversion kostenlos
“Steambirds” – Luftschach mit Dampffliegern
Die Hintergrundgeschichte und die Beschreibungen der einzelnen Spielabschnitte sollte man bei Steambirds nicht zu aufmerksam verfolgen – es geht da um eine alternative Weltgeschichte, in der Flugzeuge seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Dampfkraft angetrieben werden – Steampunk lässt grüßen. Die Geschichte wird in kurzen, martialischen Textschnipseln (“nuke Paris”) erzählt, die man leicht falsch verstehen kann. Zum Glück kann man diese Hintergrundgeschichte völlig ausblenden und dennoch oder gerade deswegen viel Vergnügen mit diesen schnellen Strategiespiel haben.
Das Ziel ist immer dasselbe: Die gegnerischen Dampfflieger abschießen und dabei so wenige eigene Maschinen verlieren wie möglich. Man begreift in zwei Minuten, wie das Spiel funktioniert und doch gestaltet “Steambirds” die Herausforderung mit jedem Spielschritt komplexer. Die Technik entwickelt sich, die Spielfiguren haben andere Fähigkeiten und gewinnen einige Spezialzüge (doppelte Geschwindigkeit, 180-Grad-Drehung), die aber man aber nur bei jeder zweiten Runde einsetzen kann. Da muss der Spieler strategisch vorgehen.
“Steambirds” setzt auf ein uraltes Spielprinzip: Man zieht in Runden abwechselnd mit dem Rechner seine Spielfiguren übers Feld und sieht dann im nächsten Schritt, wohin das führt, wie der Gegner reagiert. Das erinnert an Schach und natürlich jedes andere strategische Brettspiel auch. Trotz dieser Rundendramaturgie wirkt der Spielfluss bei “Steambirds” sehr schnell.
Der Einstieg ist leicht, die Herausforderungen wachsen aber mit jedem Spielabschnitt, so dass man an späteren Missionen durchaus länger herumprobiert. Ein schlankes, aber komplexes Spiel – auch für kurze Partien zwischendurch gut geeignet. Dafür sind die nun veröffentlichten Umsetzungen für iPhone und Android-Telefone gedacht. Die Steuerung der per Touchscreen funktioniert ebenso gut wie die mit der Maus am Computer.
Andy Moore, Daniel Cook: “Steambirds”, Browserversion kostenlos, iPhone: 0,79 Euro, Android: 1,99 US-Dollar
“Edge” – durch die Gegend würfeln
“Edge” ist ein Klassiker unter den Independent-Spielen für Apples iPhone, nun ist eine neue Version mit verbesserter Grafik und iPad-Unterstützung erschienen. Der Spieler muss in “Edge” einen kleinen Würfel durch die Gegend tanzen lassen. Man muss den richtigen Rhythmus finden, denn durch die minimalistisch gestaltete Spielwelt voller Klötzchen, Treppen und Abgründe surren Aufzüge, Fließbänder und Hebebühnen in jeweils anderem Takt. Man muss seinen Würfel-Helden im richtigen Moment auf die Transportmöglichkeiten fallen lassen und rechtzeitig den Absprung schaffen.
Die eigentümliche Grafik des Spiels – grau-weiße Flächen, die an manchen Stellen in Neonfarben blinken – passt hervorragend zur elektronischen Musik, die jeden Spielabschnitt unterlegt. Die kühle, sehr stylische Anmutung dieser Spielwelt erinnert an Filme wie “Subway”.
Die Würfel-Choreographie wird in späteren Abschnitten zum Teil sehr kompliziert, trotzdem frustriert das Spiel nur selten (etwa, wenn man es auch beim zwanzigsten Versuch nicht schafft, rechtzeitig von einem grauen Transportklotz abzuspringen ). Denn wenn der Würfel ins schwarze Nichts jenseits der Spielfläche stürzt, muss man nicht wieder von vorne anfangen – der Würfel taucht nahe der Stelle auf, an der man eben gescheitert ist.
Mobigame: “Edge” iPad/iPhone 2,39 Euro
“…But That Was [Yesterday]” – die Erinnerung ist blau-schwarz
Als Spiel kann man “…But That Was [Yesterday]” nicht bezeichnen, es ist eher eine Animation mit erzählenden und Spiel-Elementen. Wer so viel Bevormundung nicht mag – man muss immer wieder zuhören und hinschauen, ohne etwas tun zu können -, wird sich auf “…But That Was [Yesterday]” kaum einlassen können.
Schade, wäre das, auch wenn diese Geschichte am Anfang etwas Zeit braucht, man könnte auch schneller in Geschichte und Steuerung hineinfinden, als der Autor es zulässt. Wer die Geduld aber nicht verliert, wird liebevoll ausgearbeitete Musik, Animation und die ein oder andere überraschende Idee für spielerische Elemente entdecken.
Eine experimentelle, schöne Erfahrung, für die man sich mangels Speichermöglichkeit Zeit nehmen muss – denn wie bei jeder Geschichte fängt man ungern von vorne an, wenn man das Ende noch nicht erreicht hat. Also lieber nicht in einer 10-Minuten-Pause damit beginnen, das ist etwas für den Abend.
Michael Molinari: “…But That Was [Yesterday]”, browserbasiert, kostenlos
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