Zum Inhalt springen

3 Body Problem konzentriert sich auf die entscheidende KI - kollektive Intelligenz

Konrad Lischka
Konrad Lischka
2 minuten gelesen
3 Body Problem konzentriert sich auf die entscheidende KI - kollektive Intelligenz

Das Tolle an der ordentlichen Verfilmung „3 Body Problem“ ist, dass es nicht um künstliche Intelligenz geht. Sondern um die andere, die entscheidende KI: kollektive Intelligenz. Die Serie dreht sich um die Frage, wie konstruktive Problemlösungen der Menschheit für Probleme der Menschheit gelingen können. Also für Probleme, die in 400 Jahren Folgen haben, die dann die ganze Erde betreffen. Minimaler Plot-Einschub: Die existenzielle Bedrohung ist in diesem Fall eine Alien-Flotte auf dem Weg zur Erde. Bis dahin blockieren interessante Effekte der Quantenphysik alle Fortschritte in der Teilchenphysik und verfolgen die gesamte Kommunikation auf der Erde.

Das Paradoxe an dieser Erzählung: Man sieht Versuche, die Probleme zu lösen. Und gleichzeitig wird immer wieder deutlich, wie schwierig, ja unmöglich konstruktives kollektives Handeln ist. Voran geht es in dieser Erzählung allein dank Individuen. Um ein Projekt am Laufen zu halten, lässt sich die Leitung wochenweise einfrieren, um am siebten Tag aufgeweckt zu werden und zu entscheiden (schöner umgedrehter Anklang an die Schöpfungsgeschichte). So soll kontinuierliches Handeln über den Zeithorizont eines Lebens hinaus gesichert sein. Wie könnte man es krasser zeigen als mit diesem Bild: Verantwortung für und Einfluss auf die Zukunft jenseits der eigenen Lebenserwartung kann ein Mensch nur nehmen, wenn seine Lebenserwartung gestreckt wird. Das Individuum zählt, das Kollektiv ist kein Thema. Das titelgebende Dreikörperproblem der Himmelsmechanik ist ein starkes Bild dafür: Wie die Bahn von ein oder zwei Körpern im All verläuft, lässt sich berechnen. Bei drei oder mehr Himmelsköpern ist es reines Chaos (ganz grob vereinfacht).

Ein Einschub: Man kann diesen Blick auf Kollektiv und Individuum vielleicht vor dem Hintergrund lesen, dass die literarische Vorlage der chinesische Autor Cixin Liu geschrieben hat. Die Barbarei der Kulturrevolution ist eines der zentralen Themen des Buchs.

Die Probleme menschlicher Kommunikation dreht die Erzählung von „3 Body Problem“ in eine Stärke um: Drei Strategen sollen in der Serie eine Lösung für das Dilemma ausdenken, aber mit niemandem kommunizieren. Denn Gedanken können nicht abgehört werden. Wer seine Handlungen nicht erklärt, gewinnt vielleicht - so die Botschaft der Serie. Die Befehle zur Umsetzung dieser geheimen Strategien der drei sollen ohne Erklärungen umgesetzt werden, so ein internationales Abkommen. Das ist in der Erzähllogik dieser Fiktion absolut stimmig, man geht es fraglos mit. Auch das ist eine wirklich krasse Veranschaulichung eines Dilemmas kollektiven konstruktiven Handelns: Was, wenn es effektiver ist ohne Transparenz oder gar Konsens über Gründe und Alternativen zu handeln? Das rührt an Grundüberzeugungen demokratisch organisierter Gesellschaften.

Ach ja: Wie weite Teile der Welt hinter diesen Plänen vereint werden, taucht in der Erzählung am Rande auf. Nun wird mancher sagen: Das ist doch völlig unrealistisch. Wir schaffen es doch nicht einmal in der Gegenwart, in der uns Überschwemmungen, Dürren oder vielleicht auch nur steigende Kakao- und Kaffeepreise die Dringlichkeit vor Augen führen, Probleme zu lösen.

Aber genau das zeigt diese Verfilmung von „3 Body Problem“. Das Grundproblem kollektiven konstruktiven Handelns. Eine Lösung zeigt diese Verfilmung nicht. Im Gegenteil: Wir sehen und fiebern mit, wie ein paar Menschen für alle entscheiden und handeln, weil sie es können. Dystopisch im Grunde, aber gerade das hilft, das Problem kollektiver Intelligenz klarer zu erkennen.


Ein Service-Hinweis: Das Hörspiel zur Trisolaris-Trilogie ist hier in der Mediathek verfügbar. Und hier eine Dokumentation über die von Mao eingeführten Laogai-Lager in China. Danke für beide Tipps an https://mastodon.social/@publictorsten

Blog

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

These: Die verbreitete und emotionale Ablehnung von Erbschaftssteuern hängt damit zusammen, dass es a) das Tabuthema Endlichkeit und Tod trifft und b) in der Makroperspektive mangels Glauben und Religiosität für viele eine befriedigende Antwort auf das danach fehlt.  Deshalb ist das Vererben der Weg zur Unsterblichkeit. Wer keinen Bezug zu

Wenn Gott geht, bleibt das Geld

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens

Vermeer verkaufte die meisten Bilder an seine Nachbarn Klar, das Mädchen mit dem Perlenohrring! Hier etwas unnützes, weniger verbreitetes Wissen: Johannes Vermeer hat zeitlebens vielleicht 50 Bilder gemalt, 37 davon sind bis heute erhalten und 21 Gemälde hat er an seine Nachbarn in Delft verkauft, an Maria Simonsdr de Knuijt

Fun Facts: Vermeer, Jira, Rubens

ChatGPT sagt Unternehmensgewinne besser voraus als Analysten

Drei Forscher der University of Chicago haben mit eigenen Prompts GPT4-Turbo die Bilanzen und Erfolgsrechnungen von 15,401 US-Unternehmen zwischen 1968 und 2021 analysiert. Die Daten waren ... * pseudonymisiert (keine Firmennamen) * standardisiert (die Bilanzdaten liegen für jedes Unternehmen im gleichen Standardformat vor) * und um Jahreszahlen bereinigt (aus 2021 wird z.B.

ChatGPT sagt Unternehmensgewinne besser voraus als Analysten